Interview mit Sandra Christein
Sandra Christein
Leiterin Technik Abschnitt Dresden–Werdau
- Seit 1.6.2023 Leiterin Technik für den Abschnitt Dresden–Werdau
- Bereits seit 2018 beim Projekt Sachsen-Franken-Magistrale beteiligt, zunächst als Projektingenieurin für das Chemnitzer Viadukt und dann als Teamleiterin für den Knoten Chemnitz
- Zuvor seit 2011 bei einem ähnlichen Projekt, der Saale-Elster-Talbrücke (längste Bahnbrücke Deutschlands) im Rahmen des VDE8 (Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 8)
Sie haben gerade die Leitung des Abschnitts Dresden–Werdau übernommen wie lief das und was steht jetzt an?
Die Übernahme geht sukzessive – zunächst gibt es noch ein paar Schulungen und meine Vorgänger und Kollegen stehen jederzeit für Rückfragen zur Verfügung..
Grundsätzlich umfasst der Abschnitt Dresden–Werdau noch drei maßgebliche Projekte: Knoten Chemnitz, Altstadt Dresden und Knoten Zwickau. Altstadt Dresden und Knoten Zwickau sind in der Planungsphase, dort wird ab 2027 gebaut.
In Chemnitz sind wir schon mittendrin, da ist der Anspannungsgrad besonders hoch, denn die Inbetriebnahme des 1. Gleises steht bevor. Am 19. Dezember soll das bahnlinke Gleis in der neuen Trassierung in Betrieb gehen.
Was sind die besonderen Herausforderungen und Meilensteine?
Uns stehen einige Herausforderungen bevor: Wir haben eine 12-wöchige Sperrpause, während dessen im Mehrschichtbetrieb rund um die Uhr gearbeitet wird. Ab 25. September geht es los. Das wird spannend, weil sich mehrere Vertragspartner im Baufeld tummeln werden. Das Viadukt wurde komplett ertüchtigt, die Big Points sind noch der Rückbau der alten Anlagen auf dem derzeit befahrenen Überbau, die Instandsetzung der Widerlager inklusive Hinterfüllbereiche und der Neubau von Oberleitung, Leit- und Sicherungstechnik und Gleisanlagen, mit allem, was dazu gehört. Außerdem bauen wir eine 70 Meter lange Stützwand mit mehr als 1000 Meter Bohrpfahllänge.
Das sind sehr viele Arbeiten in einem kurzen Zeitraum, für die auch die Logistik bei einer Vor-Kopf-Baustelle sehr aufwendig ist. In begrenzter Zeit müssen alle Unternehmer auf begrenzter Fläche agieren, die entsprechenden Materialien zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.
Dazu kommt noch der Risikofaktor Witterung. Wenn es zu kalt wird, können nicht mehr alle Arbeiten ausgeführt werden.
Kommen besondere Maschinen oder Verfahren zum Einsatz? Gibt es etwas Spektakuläres zu sehen?
Neben den üblichen Geräten beim Gleisbau, der Stopfmaschine, mit der die fertigen Gleise ausgerichtet werden, kommen riesige Bohrgeräte zum Einsatz. Und da wir mit dem Viadukt ein sehr altes Bauwerk im Sinne des Denkmalschutzes ertüchtigen, haben wir es mit einer ganz intensiven Handwerksarbeit zu tun – der Stahlbau in dieser Dimension ist faszinierende Manufakturarbeit, das hat man nicht alle Tage. Es werden 80 Stahlbauer gleichzeitig auf der Brücke fachlich sehr anspruchsvolle Arbeiten ausführen, allein 30.000 Passschrauben müssen eingebracht werden.
Nieten müssen aus- und eingebaut werden, da gibt es kaum noch Fachkräfte, die dieses Handwerk beherrschen. Hier fehlen prinzipiell Fachleute, in diesem Punkt ist auch die Politik gefragt. Es muss in Zukunft einiges an Nachwuchsarbeit passieren, damit solche Projekte wie eine denkmalgerechte Ertüchtigung einer Stahlbrücke in diesem Umfang überhaupt weiterhin umgesetzt werden können.
Wie werden Fahrgäste und Anrainer betroffen sein?
Da liegen wirklich lärmintensive Arbeiten vor uns und es wird tatsächlich über lange Zeiten 24/7 durchgearbeitet, um den Zeitplan einhalten zu können. Darum wurden die Anrainer im Vorfeld ausführlich informiert und wir bieten Ersatzwohnraum an. Damit die Betroffenen schlafen können, gibt es Reservierungen in Hotels.
Die Fahrgäste und Kunden müssen während der Totalsperrung auf alternative Routen und Ersatzverkehr ausweichen. So große Bauprojekte sind leider auch mit Einschränkungen verbunden, aber dafür gibt es danach auch deutliche Verbesserungen.
Was ist denn nachher besser?
Während der Bauarbeiten ist es laut, aber wenn wir fertig sind, ermöglicht die moderne Infrastruktur einen deutlich leiseren Verkehr.
Außerdem werden die Anbindung und Vernetzung mit dem ÖPNV deutlich besser, die Zugänge sind dann barrierefrei und die Brücke darf nach der Ertüchtigung unter Volllast und größerer Geschwindigkeit befahren werden, das macht dichtere Takte möglich.
Worauf freuen Sie sich innerhalb des Projektes?
Auf einen erfolgreichen Abschluss des Projektes Chemnitz und die Zusammenarbeit mit den vielen unterschiedlichen Vertragspartnern und Kollegen.
Aber dann natürlich auch auf das, was noch vor uns liegt, die weiteren Arbeiten in Dresden und Zwickau.
November 2023