Interview mit Odine Küchenmeister

Odine Küchenmeister

Odine Küchenmeister

Teamleiterin für Werdau und Grobau

Wie lange sind Sie schon bei der Deutschen Bahn und wie lange in diesem Projekt?

Bei der Bahn bin ich seit 2013. Eingestiegen bin ich mit einem Praktikum für das Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen. Ich habe im kaufmännischen Bereich mein Praxissemester gemacht und meine Abschlussarbeit geschrieben. 

Für das Masterstudium bin ich dann in den technischen Bereich der Sachsen–Franken–Magistrale gewechselt und seitdem dort geblieben.

Das ist sehr interessant. Bei den Interviews mit Ihnen und Ihren Kolleg:innen fällt auf: Die Sachsen–Franken–Magistrale ist ein Projekt, bei dem viele Beteiligte sehr lange dabeibleiben…

Ja, wir haben ein super Team und ein gutes Arbeitsklima hier im Projekt und das hat auch dafür gesorgt, dass ich eigentlich nie das Bedürfnis hatte zu wechseln. Man fühlt sich hier sehr gut aufgehoben, wird auch nach den eigenen Interessen eingesetzt und es bieten sich viele Weiterentwicklungsmöglichkeiten: 

Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens habe ich noch einen Master in Bahnsystemingenieurwesen draufgesetzt und konnte dann auch hier im Projekt meine Abschlussarbeit schreiben. Anschließend wurde ich in Festanstellung übernommen. In der aktuellen Position als Teamleiterin Werdau und Grobau bin ich seit knapp zwei Jahren.
 

Was ist Ihre Aufgabe im Projekt und was genau passiert auf „Ihrem“ Abschnitt?

Meine Aufgabe sind die sogenannten „Portfolio-Projekte“, das sind die kleineren Maßnahmen, die noch auf dem Ast Leipzig-Hof „übriggeblieben“ sind. 
Das ist unter anderem das Projekt „Überholgleise Werdau“ – bei dem wir 750 Meter Gleise und ein Zugdeckungssignal bauen. Außerdem gehört noch das ESTW Grobau dazu. Das wird interessant, denn es sind zwei Projekte in sehr unterschiedlichen Phasen: Werdau ist aktuell in der Realisierung und Grobau ist in der Planung.

In Werdau ist am 1. März der Baubeginn gewesen, da wird es jetzt spannend. Wir bauen innerhalb von knapp zwei Jahren den Bahnhof zum großen Teil um, damit dort zukünftig 740 Meter lange Züge überholt werden können. Wir verlängern die Gleise und müssen relativ viele Weichen umbauen. Durch den recht großen Eingriff muss beim ganzen Bahnhof die Leit- und Sicherungstechnik umfangreich erneuert werden. Das heißt, dass wir über 50 Signale bauen werden und das Stellwerk an die neue Technik anpassen.

Wie alt ist denn der Bahnhof?

Der Bahnhof wurde vor knapp 25 Jahren komplett erneuert. Das ist mittlerweile für so ein ESTW dann doch relativ alt. Deswegen ist der Eingriff – zumindest in die Leit- und Sicherungstechnik – umfangreich. Wir beginnen im April mit der ersten großen Totalsperrung, da geht der erste Bauzustand in Betrieb und dann werden wir nach und nach den Bahnhof umbauen. 

Das große Ziel ist, dass im Jahr 2026 zum Fahrplanwechsel dort ein Zugdeckungssignal in Betrieb geht. Das ermöglicht, dass man in Werdau Züge zusammenkuppeln kann, die dann als gemeinsamer Fahrverbund weiterfahren in Richtung Leipzig.

In Werdau wird also gebaut und wie ist der geplante Ablauf für Grobau?

Dort ist die Ausführung erst ab 2027 geplant und aktuell bereiten wir die Ausschreibung vor. Eigentlich waren wir schon einmal so weit, aber die aktuelle Marktsituation ist sehr besonders. Die Ausschreibung musste entsprechend angepasst werden, damit wir hier auch Bieter finden. 

Das heißt, wir müssen relativ kleinteilig ausschreiben, die Leistungen auch kleinteiliger vergeben, damit wir Firmen finden, die auch bauen werden.

Was sind die besonderen Herausforderungen bei den beiden Abschnitten?

Aktuell ist das, wie gesagt, die Marktsituation, die gerade in Werdau dazu geführt hat, dass wir zum Beispiel dreimal ausschreiben mussten. Der Markt ist mittlerweile so gut ausgelastet, durch die große Anzahl an Projekten, die zurzeit laufen, dass es schwerfiel, dort Bauunternehmer zu finden. 

Das hat natürlich Zeit gekostet und die müssen wir jetzt irgendwie wieder aufholen. Das macht gerade das Projekt Werdau sehr anspruchsvoll, dass die in der Vergabe verlorene Zeit uns jetzt in der Planung und der Vorbereitung der Baumaßnahme fehlt und wir sie wettmachen müssen.

Bei den ersten Interviews, die wir zum Projekt geführt haben, waren die Kolleg:innen noch froh, dass sie hier in der Region von solchen Herausforderungen nicht betroffen waren. Das hat sich nun also geändert?

Es ist tatsächlich bei uns zum ersten Mal in dem ganzen Abschnitt vorgekommen, dass wir eine Vergabe gemacht haben, auf die kein einziges Angebot eingetroffen ist. Also das haben wir so auch noch nicht erlebt. In Werdau haben wir mittlerweile Bauunternehmen gefunden, den Schritt haben wir erledigt, aber später als gedacht. Das heißt, die Planung muss jetzt ein bisschen beschleunigt werden. Wir müssen stärker vor Ort mit unterstützen, als wir es im Normalfall tun würden, etwa mit der Koordination.

In Grobau stellen wir uns jetzt auf ähnliche Schwierigkeiten ein. 

Deswegen nehmen wir uns nun die Zeit, dort die Ausschreibung so anzupassen, dass wir möglichst attraktive Ausschreibungspakete auf den Markt bringen.

Wir haben aus der Erfahrung mit Werdau gelernt, deshalb gehen wir frühzeitig aktiv in den Marktdialog. Wir stellen jetzt schon das Projekt vor, um dort auch langfristig anzumelden, welche Maßnahmen geplant sind, damit die Unternehmen das schon mal gehört haben und sich drauf vorbereiten können.

Auf welche Meilensteine freuen Sie sich innerhalb des Projektes?

Mein persönlicher Meilenstein ist kurzfristig gesehen die Inbetriebnahme vom ersten Bauzustand, also die erste Sperrung in Werdau. Die steht unmittelbar bevor, die Vorbereitung beschäftigt mich tagtäglich. Langfristig gesehen wird es der Fahrplanwechsel 2026 sein, weil dann das Zugdeckungssignal in Werdau, von dem ich sprach, in Betrieb geht.

In Grobau bereiten wir uns auf den nächsten Meilenstein vor, das wäre der Baubeginn, den wir für 2027 geplant haben und auf den wir weiter hinarbeiten.

 

Ich freu mich jetzt darauf, dass es draußen auf der Baustelle in Werdau richtig losgeht, da sind die Aufgaben ganz anders als in der Planung, man muss viel schneller reagieren. Das Projektteam ist dafür größer geworden, weil wir während der Realisierung einfach mehr Leute draußen vor Ort brauchen. Die Zusammenarbeit wird in dieser Phase viel enger. Es macht mir wirklich Spaß zu sehen, wie das Team zusammenwächst und funktioniert, wie gut die Dynamik sich entwickelt. Wenn jetzt die Sperrpausen beginnen, wird die Arbeit noch intensiver und anspruchsvoller. Darauf freue ich mich.

Sperrung ist ein gutes Stichwort, wie werden Fahrgäste und Anrainer betroffen sein?

Fahrgäste sind durch die direkten betrieblichen Auswirkungen betroffen, Züge fahren zum Teil nicht, es gibt längere Sperrungen, auch Totalsperrungen. Und die Anwohner:innen werden unmittelbar den Bau mitbekommen. Baulärm wird in Werdau am ehesten bemerkbar sein und sichtbar ist auch jetzt schon, dass es dort losgeht. Da machen wir auch eine Informationsveranstaltung dazu und erklären, was wir machen. Es gibt Ansprechpartner:innen für die Leute, dass sie auch Kontakt zum Projekt aufnehmen können.

Und in Grobau ist die Betroffenheit ein bisschen geringer, weil wir baulich weniger Eingriffe haben. Da machen wir keinen Gleisbau oder ähnliches, sondern fast ausschließlich Kabeltiefbau. 

Allerdings sind die Anwohner:innen in andere Weise betroffen. Wir haben eine spezielle Lage, die Bahnstrecke schlängelt sich einmal durch den Wald. Darum sind wir mit sehr vielen Privatpersonen im Kontakt, die Teile des Waldes besitzen. Da ist das Flächenmanagement gefordert, man muss dort mit weit über 100 Eigentümer:innen Verträge schließen und abstimmen, wann wir dort die Waldwege nutzen dürfen, und wie wir die Flächen auch wieder hinterlassen. Das macht es dort recht spannend.

Was wird nach den Arbeiten besser sein?

In Werdau ist es ganz klar diese Zugkupplung, die dann möglich sein wird. Da profitiert der Verkehrsverbund, denn dort braucht man ab Werdau eine Personalie weniger, das macht es natürlich interessant, dort weiterhin zu halten und auch den Takt zu verdichten. Wir werden auch flexibler im Streckennetz, weil überholen möglich ist.

Der unmittelbare Effekt in Grobau wird sein, dass wir vorhandene Blockabstände verkürzen.Wir können dann die Streckenkapazität einfach ohne größere bauliche Anpassung erhöhen. Das ist ein großer Faktor.

April 2025